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Zero-Trust für Handel und Lieferketten

Ein neues Paradigma für den globalen Handel: In diesem Artikel beschreibt Stephan Wolf, Vorsitzender des Kuratoriums der Verifiable.Trade Foundation, wie das International Secure Trade Transfer Protocol (ISTTP) einen neuen Rahmen für sicheren, rechtlich anerkannten und interoperablen digitalen Handel schafft.


Autor: Stephan Wolf, Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Verifiable.Trade

  • Datum: 2025-08-12
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Das globale Handels- und Lieferketten-Ökosystem befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Jeden Tag werden Milliarden von Dokumenten branchen- und grenzübergreifend ausgetauscht, doch ein großer Teil dieser Kommunikation beruht immer noch auf veralteten Formaten wie Papier und PDF. Diesen Formaten mangelt es an Interoperabilität, Sicherheit und Rechtssicherheit, die im heutigen komplexen und schnelllebigen Handelsumfeld erforderlich sind.

Die Verifiable.Trade Foundation, eine Schweizer Non-Profit-Organisation, reagiert auf diese Herausforderung mit einer kühnen Vision: Sie will durch offene Standards und Protokolle Vertrauen in großem Umfang schaffen und so die Überprüfbarkeit von Daten ermöglichen. Das Kernstück dieser Vision ist das International Secure Trade Transfer Protocol (ISTTP), ein grundlegender Schritt in Richtung einer sichereren, effizienteren und integrativen digitalen Handelsinfrastruktur.

Das ISTTP wird die Authentizität der Daten gewährleisten und den Weg für eine vertrauensfreie Architektur im globalen Handel ebnen.

Warum der Handel immer noch auf Papier läuft

Trotz bedeutender Fortschritte in der digitalen Technologie basieren Handelstransaktionen nach wie vor stark auf papierbasierten Prozessen. Studien der ICC Digital Standards Initiative und ihrer KTDDE-Arbeitsgruppe verdeutlichen das Ausmaß des Problems, indem sie 36 häufig verwendete Dokumententypen identifizieren, die zusammen fast 200 einzigartige Datenelemente enthalten. Papier wird nach wie vor verwendet, weil es den direkten Austausch sensibler Daten auf Augenhöhe gewährleistet. In vielen Fällen ist es nicht wirtschaftlich, Papier durch IT-Plattformen und APIs zu ersetzen. Dieser traditionelle Ansatz ist jedoch langsam, teuer und sehr anfällig für Fehler und Betrug.

Die zentrale Herausforderung besteht nicht nur in der Digitalisierung von Dokumenten. Es geht darum, den Handel im Sinne eines strukturierten, sicheren und überprüfbaren Datenaustauschs neu zu denken. Die Digitalisierung des Handels, d. h. die Ersetzung von Papier, Dokumenten und elektronischen Ersatzdokumenten wie PDFs durch strukturierte, maschinenlesbare Daten, wird die Rentabilität des digitalen Handels erheblich steigern.

Das Problem mit den derzeitigen digitalen Handelssystemen

Trotz des wachsenden Interesses an der Digitalisierung sind viele der heutigen Lösungen für den digitalen Handel nicht in der Lage, echte Interoperabilität und Integration zu bieten. Ein Kernproblem liegt in der Fragmentierung der Plattformen. Die meisten Systeme sind proprietär und arbeiten in geschlossenen Umgebungen mit inkompatiblen Datenformaten, was es für die Beteiligten schwierig - wenn nicht gar unmöglich - macht, über Grenzen hinweg oder zwischen Plattformen nahtlos zu kommunizieren und Transaktionen durchzuführen. Dies führt zu einem hohen Maß an Plattformabhängigkeit und Anbieterbindung, bei der sich Unternehmen auf einen einzigen Lösungsanbieter festlegen müssen, was häufig auf Kosten von Flexibilität, Skalierbarkeit und langfristiger Innovation geht.

Die Auswirkungen sind für kleine und mittlere Unternehmen besonders gravierend. Viele KKMU sind vom digitalen Handel ausgeschlossen, weil sie keinen Zugang zu erschwinglicher Infrastruktur, globalen Standards und den erforderlichen digitalen Fähigkeiten haben. Dieser Ausschluss trägt zur anhaltenden und sich vergrößernden globalen Handelsfinanzierungslücke bei, die von der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) zuletzt auf über 2,5 Billionen USD jährlich geschätzt wurde. Diese Lücke bedeutet nicht nur verpasste wirtschaftliche Chancen, sondern auch ein systemisches Versagen beim Aufbau gerechter und widerstandsfähiger globaler Handelsnetze. Sie beraubt Millionen von Menschen ihres Wohlstands, da sie von der Teilnahme an der Weltwirtschaft ausgeschlossen sind und keinen Beitrag dazu leisten können.

Erschwerend kommt hinzu, dass selbst in sogenannten digitalen Umgebungen manuelle Prozesse vorherrschen. Ohne Mechanismen zur Authentifizierung von Daten und zur Verifizierung von Gegenparteien sind Fehler und Betrug an der Tagesordnung. Hinzu kommt die Rechtsunsicherheit: In vielen Ländern sind elektronische Aufzeichnungen handelsrechtlich noch nicht vollständig anerkannt, insbesondere bei grenzüberschreitenden und übertragbaren Instrumenten. Diese rechtlichen Unklarheiten schaffen Risiken und hemmen Investitionen in die digitale Transformation.

Das Ergebnis ist ein fragmentiertes, ausgrenzendes, ineffizientes und anfälliges Ökosystem - ein System, das dringend eine neue, offene und überprüfbare Vertrauensgrundlage benötigt.

Einführung des ISTTP: Ein offenes Protokoll für überprüfbaren Handel

Mit dem International Secure Trade Transfer Protocol (ISTTP) wird ein grundlegend neuer Ansatz für den digitalen Handel eingeführt, der offen und überprüfbar ist und Vertrauen in großem Umfang fördert. Das ISTTP wurde von der Verifiable.Trade Foundation entwickelt, einer Schweizer Non-Profit-Organisation ohne kommerzielle Interessen, und wird als vollständig quelloffenes öffentliches Gut angeboten. Es gibt keine Ansprüche auf geistiges Eigentum oder Lizenzierungsschranken. Es ist frei verfügbar für die Nutzung, Anpassung und Integration über Sektoren und Gerichtsbarkeiten hinweg.

Die Grundlage des ISTTP bildet eine Null-Vertrauens-Architektur, die nichts voraussetzt und alles verifiziert. Handelsdaten werden kryptografisch versiegelt, um sicherzustellen, dass ihr Inhalt nicht manipuliert werden kann und dass ihre Herkunft überprüft werden kann. Das Protokoll umfasst eine Schlüsselverwaltung und verkettete, überprüfbare Berechtigungsnachweise, die auf neuen globalen Standards wie denen des W3C und der Trust over IP Foundation basieren.

ISTTP ist dokumentenunabhängig und datengesteuert. Anstatt alte Dokumentenformate in digitaler Form nachzubilden, bietet es eine sichere, auf Standards basierende Möglichkeit, Handelsdaten selbst zu strukturieren und auszutauschen. Das Herzstück dieser Architektur ist ein wichtiger und oft übersehener Faktor: Organisatorische Identität.

Die organisatorische Identität stellt die wesentliche Verbindung zwischen Daten, Personen, Rechtsträgern und Systemen her. Sie stellt sicher, dass jede Aktion innerhalb des Protokolls, sei es die Einreichung eines Dokuments, die Genehmigung einer Zahlung oder eine Zollerklärung, kryptografisch mit einer verantwortlichen Organisation und ihren autorisierten Vertretern verknüpft werden kann, die verifiziert werden kann, dass sie die Organisation ist, die sie vorgibt zu sein. In einer dezentralen und vertrauensfreien Umgebung ist dies von grundlegender Bedeutung. Ohne starke, interoperable Identitätsmechanismen kann kein Protokoll die Authentizität garantieren oder das für kritische Handelstransaktionen erforderliche Vertrauen herstellen.

Das ISTTP macht die organisatorische Identität zu einem Bürger erster Klasse des Protokolls. Durch die Einbettung von vLEIs in jede Transaktionsschicht stellt es sicher, dass die ausgetauschten Daten nicht nur technisch gültig, sondern auch rechtlich und organisatorisch zuzuordnen sind. Dadurch wird das Vertrauen in den Handel von etwas Angenommenem zu etwas Bewiesenem und bei jedem Schritt Überprüfbarem. Das vLEI-Ökosystem von GLEIF ermöglicht eine neue Ebene des End-to-End-Vertrauens zwischen allen Marktteilnehmern - von Käufern und Verkäufern bis hin zu Logistikanbietern, Banken und Zollbehörden.

Anwendungen in der realen Welt: Von Reibung zu Verifizierbarkeit

ISTTP ist kein abstraktes Konzept. Es ist für den realen Einsatz in komplexen Handels- und Lieferkettenumgebungen konzipiert, in denen viel auf dem Spiel steht. Sein Nutzen zeigt sich am deutlichsten in Szenarien, in denen mehrere Parteien Daten mit rechtlicher Wirkung, über Organisationsgrenzen hinweg und oft unter großem Zeitdruck austauschen müssen.

In der Schifffahrt beispielsweise ermöglicht ISTTP "Datencontainer", die als sicheres digitales Gegenstück zu physischen Containern dienen. Exporteure, Logistikdienstleister, Zollbehörden und Reedereien können jeweils signierte und mit einem Zeitstempel versehene Nutzdaten zu einem gemeinsamen, überprüfbaren Datenstrom hinzufügen, ohne dass sensible Geschäftsdaten für Unbefugte sichtbar werden. Das Ergebnis ist Echtzeit-Transparenz und rechtlich sinnvolle Rückverfolgbarkeit, ohne zentrale Datenaggregation oder proprietäre Plattformen.

In der Luftfracht unterstützt das Protokoll die Erstellung und den Austausch von mehrseitig signierten Luftfrachtbriefen (AWBs) und bietet kryptografisch nachweisbare Aufzeichnungen, die Erklärungen, Genehmigungen und Zeitstempel enthalten. Diese erweiterten AWBs sind nicht nur digitale Kopien von Papier. Sie sind fälschungssichere Instrumente, die mit den verifizierten Identitäten der ausstellenden und genehmigenden Organisationen verknüpft sind. Dies verbessert nicht nur die Compliance, sondern auch die betriebliche Effizienz und Rechenschaftspflicht in der gesamten Luftfrachtkette. Außerdem sind diese AWBs für alle Beteiligten in Echtzeit verfügbar.

Im Bereich der Handelsfinanzierung ermöglicht ISTTP überprüfbaren Exporteuren und Importeuren die Vorlage signierter, authentischer digitaler Belege für Versand, Lieferung und Zollabfertigung, so dass Finanzinstitute Transaktionen mit größerem Vertrauen bewerten und abwickeln können. Anstatt sich auf gescannte Dokumente und manuellen Abgleich zu verlassen, können Banken und Versicherer mithilfe nachprüfbarer Unterlagen Compliance-Prüfungen und Akkreditivvorlagen automatisieren, um Betriebskapital freizusetzen und Betrugsrisiken zu verringern.

In Zoll- und Single-Window-Umgebungen dient das ISTTP als sicherer und interoperabler Kanal für die Übermittlung und Überprüfung handelsbezogener Daten zwischen den Grenzbehörden. Es ermöglicht den Wirtschaftsbeteiligten, digital signierte Erklärungen, Genehmigungen und Bescheinigungen zu übermitteln, die von den Zollbehörden in Echtzeit überprüft werden können, ohne dass es zu doppelten Übermittlungen in fragmentierten Systemen kommt. Durch die Verankerung der Einreichungen in einem gemeinsamen, vertrauensbasierten Protokoll kann das ISTTP die Bearbeitungszeiten erheblich verkürzen, die Redundanz von Dokumenten beseitigen und die Koordination zwischen Zoll, Hafenbetreibern und Handelsministerien verbessern. Dies unterstützt unmittelbar die internationalen Ziele zur Erleichterung des Handels und steht im Einklang mit den Bestrebungen der WTO, die grenzüberschreitenden Verfahren zu straffen.

Diese Beispiele zeigen die Hauptstärke des ISTTP: Es bietet ein einheitliches Protokoll für den Austausch signierter, strukturierter und überprüfbarer Daten über verschiedene Bereiche hinweg. Es setzt weder voraus, dass die Beteiligten dieselbe Plattform oder Software verwenden, noch zentralisiert es sensible Daten. Stattdessen wird das Vertrauen direkt in die Datenebene eingebracht, so dass der Handel schneller, sicherer und wirklich interoperabel wird.

Mit und nicht gegen bestehende Systeme arbeiten

Eine wesentliche Stärke des ISTTP ist seine Kompatibilität mit der bestehenden Infrastruktur. Anstatt von den Unternehmen zu verlangen, dass sie ihre derzeitigen Systeme aufgeben, führt ISTTP Adapter und Schnittstellen ein, die es den bestehenden Plattformen ermöglichen, an einem sicheren, überprüfbaren Datenaustausch teilzunehmen. Die Datenstrukturen des Protokolls sind so konzipiert, dass sie mit bestehenden Nachrichtenformaten und sich entwickelnden Standards übereinstimmen, so dass eine nahtlose Integration möglich ist. Dieser Ansatz unterstützt die Schaffung vertrauenswürdiger Netzwerke, die Unternehmen, Regierungen und Institutionen umfassen, und verbessert die Zusammenarbeit und Transparenz, ohne den laufenden Betrieb zu stören.

Ein globaler Standard im Entstehen

Das ISTTP ist eng mit der Agenda für den digitalen Handel der ICC DSI abgestimmt und unterstützt die Umsetzung internationaler Rechtsrahmen wie das Modellgesetz über elektronische übertragbare Aufzeichnungen (ML-ETR) und das Modellgesetz über die Nutzung und grenzüberschreitende Anerkennung von Identitätsmanagement und Vertrauensdiensten (ML-IT). Es legt den Grundstein für ein zukünftiges digitales Handelsökosystem, das offen, integrativ und rechtlich anerkannt ist. Die Vision ist, dass die Industrie über ein Protokoll hinausgeht und zu einem lebendigen digitalen Leitfaden wird, der sich mit der Gemeinschaft, die ihn annimmt, weiterentwickelt.

Vertrauen wird zur wertvollsten Währung im globalen Handel. Das ISTTP bietet die Instrumente, um dieses Vertrauen greifbar, überprüfbar und allgemein zugänglich zu machen. Die Verifiable.Trade Foundation lädt Regulierungsbehörden, Technologieanbieter, Handelsförderer und Unternehmen jeder Größe ein, sich dieser gemeinsamen Reise anzuschließen. Gemeinsam können wir von einer Welt der papierbasierten Prozesse zu einer Welt des digitalen Vertrauens übergehen - sicher, interoperabel und bereit für die Zukunft.

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Über den Autor:

Stephan Wolf ist Vorsitzender des Stiftungsrats der Verifiable.Trade Foundation, einer Schweizer Non-Profit-Organisation. Er war CEO der Global Legal Entity Identifier Foundation (GLEIF) (2014 - 2024). Seit März 2024 leitet er das Industry Advisory Board (IAB) der Digital Standards Initiative der Internationalen Handelskammer (ICC), der globalen Plattform für die Angleichung, Annahme und das Engagement für digitale Handelsstandards. Bevor er zum Vorsitzenden ernannt wurde, war er seit 2023 stellvertretender Vorsitzender des IAB. Im selben Jahr wurde er in den Vorstand der Internationalen Handelskammer (ICC) Deutschland gewählt.


Von Januar 2017 bis Juni 2020 war Herr Wolf Co-Convener der International Organization for Standardization Technical Committee 68 FinTech Technical Advisory Group (ISO TC 68 FinTech TAG). Im Januar 2017 wurde Herr Wolf von One World Identity zu einem der Top 100 Leaders in Identity ernannt. Er verfügt über umfangreiche Erfahrungen bei der Einrichtung von Datenoperationen und globalen Implementierungsstrategien. Im Laufe seiner Karriere hat er die Entwicklung von wichtigen Geschäfts- und Produktentwicklungsstrategien geleitet. Herr Wolf war 1989 Mitbegründer der IS Innovative Software GmbH und war zunächst deren Geschäftsführer. Später wurde er zum Vorstandssprecher des Nachfolgeunternehmens, der IS.Teledata AG, ernannt. Dieses Unternehmen wurde schließlich Teil der Interactive Data Corporation, wo Herr Wolf die Rolle des CTO innehatte. Herr Wolf hat einen Universitätsabschluss in Betriebswirtschaftslehre von der J. W. Goethe Universität, Frankfurt am Main.


Tags für diesen Artikel:
Legal Entity Identifier (LEI), Verifizierbarer LEI (vLEI), Global Legal Entity Identifier Foundation (GLEIF), Digitale Identität